Ökumenische Gedenkfeiern zur Erinnerung an die Pogromnacht fanden am Dienstag, 9. November 2021 in zahlreichen Kommunen statt - in Heidelberg und Sinsheim unter Beteiligung der jeweiligen neuapostolischen Kirchengemeinde.
Sinsheim
Auf dem Sinsheimer Synagogenplatz eröffnete ein Bläserkreis um 17:00 Uhr die Gedenkfeier, die von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Sinsheim (ACK) in Zusammenarbeit mit der Stadt Sinsheim, der Kraichgau-Realschule und der „denk mal aktiv“-AG des Wilhelmi-Gymnasiums ausgerichtet wurde. Christiane Glöckner-Lang, Dekanin des evangelischen Kirchenbezirks und Vorsitzende des ACK erinnerte in ihren Begrüßungsworten an den alleinigen Gott, der das Christentum unauflöslich mit dem Judentum verbinde.
Nach dem Gebet von Psalm 98 beleuchteten zwei Schülerinnen den 9. November als deutschen Schicksalstag mit freudigen, aber auch entsetzlichen Ereignissen. Sie beschrieben wie SA-Leute 1938 laut singend die Sinsheimer Synagoge in Brand setzen wollten, was Anwohner verhindern konnten. Stattdessen wurde das Dach zertrümmert und das demolierte Inventar samt Thorarollen zur Stadtwiese getragen und angezündet. Eine gedankliche Brücke von Antisemitismus zu Ausschreitungen in Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie schlugen die Schüler in einer weiteren Aktion.
„Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ zitierte Oberbürgermeister Jörg Albrecht den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer und mahnte an, klar Stellung zu beziehen gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus. Evangelist Peter Ruf, Vorsteher der neuapostolischen Kirchengemeinde Sinsheim las Exodus 19,1-8. Dekanin Glöckner-Lang schilderte, dass bereits 321 n. Chr. jüdische Gemeinden in Deutschland nachgewiesen seien und damit eine 1.700 Jahre lange gemeinsame Tradition in Deutschland auf der Grundlage der Heiligen Schrift gegeben sei. Wie im Bibeltext zu sagen: „Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun“ und allen Menschen ausnahmslos mit Achtung und Respekt zu begegnen, war der rote Faden der Meditation und der anschließenden Fürbitten.
Bitte um Frieden und Freiheit war Inhalt eines gemeinsamen Liedes, bevor Dekanin Glöckner-Lang und Dekan Thomas Hafner, Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Sinsheim-Angelbachtal den Schlusssegen sprachen.
Heidelberg
Nach der von der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit der jüdischen Kultusgemeinde sowie der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ausgerichteten Gedenkfeier auf dem Synagogenplatz hatte der Arbeitskreis christlicher Kirchen in Heidelberg (ACK) zur Gedenkstunde anlässlich der 81. Jährung der Deportation der Juden aus Heidelberg nach Gurs ins Haus der Begegnung eingeladen.
Stefan Osterwald von der katholischen Stadtkirche begrüßte die Anwesenden und erinnerte an den 80. Jahrestag der Deportation der Juden aus Heidelberg im vergangenen Jahr, der aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte und nun in diesem Jahr nachgeholt wurde. Mechthild Schlager, ebenfalls von der katholischen Stadtkirche gedachte in einem musikalischen Gebet an unendliches Leid, erlittenes Unrecht und menschenverachtendes Morden und bat gleichzeitig um Frieden, Freiheit, Hoffnung, Einsicht und Beherztheit.
Einen Gedichtauszug von Alfred Mombert (1872 – 1942) las Dietrich Dancker von der evangelischen Kirche. Hirte i. R. Helmut Haas von der neuapostolischen Kirche verlas dazu die Biografie. Mombert war als hochgeschätzter, völlig assimilierter deutscher Dichter nur aufgrund seiner jüdischen Wurzeln ebenfalls nach Gurs deportiert worden. Nach Intervention deutscher Dichter beim Nazi-Regime konnte er zwar in die Schweiz ausreisen, verstarb dort aber an den Folgen des menschenunwürdigen Lageraufenthalts. Der Vortrag schloss mit dem Appell, als Christen wachsam zu bleiben, den Anfängen zu wehren und einem „Nie wieder!“ entschieden Ausdruck zu verleihen.
Zitherspiel leitete über zur Lesung des Gemeinsamen Wortes der Kirchen (Diözese Freiburg/Speyer und der Landeskirche Baden/Pfalz) anlässlich des 70. Jahrestages der Deportation nach Gurs (2010). Hier wird Schuld und Versagen der Christen eingestanden, sprach- und teilnahmslos zugesehen zu haben, wie das Laubhüttenfest der jüdischen Gemeinden im Oktober 1940 von einem Freiheitszug zu einem Trauermarsch wurde. „Es möge Friede sein in deinen Mauern“ – „Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen.“ In feierlicher Betroffenheit beteten die Anwesenden Psalm 122.
Auch die Vorträge des Vokalensembles Aviv der jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg berührten die Herzen der Anwesenden. Die feierlichen Klänge der haTikwa, der israelischen Nationalhymne begleiteten die nachdenklich gewordenen Zuhörer auf dem Heimweg.